Worum geht es in diesem Beitrag?
In diesem Beitrag geht es nicht um das Erlangen von Formalqualifikationen, die der Gesetzgeber mehr oder weniger erweitert vorschreibt. Das heißt, es geht nicht um das „Scheine-Management“ von Personalabteilungen.
Qualifikation im klassischen Sinne ist die Fähigkeit Aufgaben zu erkennen und diese effektiv und im Idealfall effizient zu erledigen. Es geht also um das Lernen von Fähigkeiten, vergleichbar einem Kind, welches laufen, schwimmen, Fahrrad fahren, lesen oder schreiben lernt. Diese Fähigkeiten sind Kompetenzen, die nur ein gewillter Mensch erlernt. Es geht also um das Vermitteln von Fähigkeiten, die man nur in Eigeninitiative lernen kann.
Wie können Mitarbeiter Neues lernen?
Mitarbeiter lernen nur Neues, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Die Mitarbeiter müssen sich selbst qualifieren wollen.
- Die Mitarbeiter müssen verstehen können, was sie lernen sollen. Auswendiglernen ist keine Qualifizierung und gehört als Methode in das Scheinemanagement oder in ein überholtes Schulsystem.
- Die Mitarbeiter müssen interessantes und relevantes Randwissen mit aufnehmen können.
- Die Mitarbeiter müssen das Wissen anwenden lernen. Anwenden von Wissen wird in unserem Ausbildungssystem nur bezogen auf Bekanntes vermittelt. Nie geht es in der Ausbildung um die Anwendung von Wissen auf Unbekanntes.
- Die Mitarbeiter müssen das selbständiges Entscheiden lernen. Entscheiden wird nirgends in unserem Bildungssystem gelernt. Eine Entscheidung treffen und die Konsequenzen zu ertragen, egal wie belanglos die Konsequenzen auch immer sind, führt bei Menschen, die nicht gelernt haben zu entscheiden, zu unerträglichem Streß.
Welche Mitarbeitergruppen gibt es?
Für die Qualifikation gibt es zwei wesentliche Kriterien zur Beschreibung der Eignung von Mitarbeitern. Das erste Kriterium ist das Wollen und das zweite ist das Können. In der Regel wird so getan, als wäre das Können der Schlüssel für den Erfolg von Qualifikationsprogrammen. Das ist aber in den aller meisten Fällen nicht der Fall. Wenn jemand etwas wirklich erlernen will, findet der Mensch fast immer einen Weg zum erfolgreichen Lernen. Sicher müssen die Menschen unterschiedlichen Aufwand betreiben und nicht jede Form der Wissensvermittlung ist für jeden Mitarbeiter geeignet. In der betrieblichen Weiterbildung und Qualifikation scheitert es nach meiner Erfahrung fast nie am Können der Mitarbeiter. Die meisten so genannten lernunfähigen Mitarbeiter lernen sehr schnell, wenn sie wirklich wollen und wenn das Trauma der Schule erst einmal abgestreift wurde. (Das Schulsystem ist in den meisten europäischen Ländern leider das größte Hemmnis für sinnvolle Qualifikationsstrategien, da Kinder in der Schule primär lernen nicht zu denken, opportunistisch zu funktionieren und dass sie zu dumm für die Welt sind.)
Worüber diese Erkenntnis nicht hinweg täuschen darf, ist die ggf. schon angehäufte Menge an Lerndefiziten, die Menschen mit sich herum tragen, wenn ihnen oft genug gesagt wurde, dass sie nicht lernen können. Diese Menschen werden aber besonders loyal und konstruktiv kreativ, wenn sie einmal erkannt haben, dass sie nicht lernunfähig sind, sondern sie einfach nicht in das Muster ihrer Lehrer gepasst haben.
Viel relevanter als das Können für den Lernerfolg ist das Wollen. Wirkliches Lernen findet nicht im Frontalunterricht statt, sondern durch machen und wiederholen. Früher sagten Lehrer noch: „Übung macht den Meister“. Beim Machen hat man Erfolge. Machen stellt auch den Lernenden in den Mittelpunkt und nicht den Lehrenden. Der Monolog eines Lehrers ist meist wenig spannend. Die Themen werden in der Regel grenzenlos langweilig vorgetragen. Dazu möchte ich hier einen kleinen Selbstcheck einbauen. Stellen Sie sich jetzt einmal folgende Fragen: Wieviele Themen habe ich in der Vergangenheit begeistert aufgenommen und habe ich immer wieder geübt, die mich einfach nicht interessierten? In wievielen Themen, die mich gar nicht interessieren, bin ich absoluter Experte?
Wenn Sie diese Fragen mit ruhigem Gewissen beantworten, sagen Sie vermutlich kein einziges Thema. Wenn Sie es doch begrenzt in der Schule oder im Studium früher gemacht haben, hatten Sie vermutlich den Titel Streber.
Menschen lernen nur, was Sie lernen wollen. Viele Mensch gehen einer Erwerbstätigkeit nach, ohne eine besondere Begeisterung für diese Tätigkeit zu haben. Mit welcher Begeisterung wird so ein Mitarbeiter wohl Neues lernen? Das sind alles Themen, die ihn nicht interessieren. Der will einfach nicht. Und das ist prinzipiell sein gutes Recht. Wir müssen in der Regel schon froh sein, wenn diese Mitarbeiter die Lern-Entwicklung anderer Kollegen nicht boykottieren.
Wie sind die Mitarbeiter verteilt?
Dazu werfen wir einen Blick auf das folgende Bild. Dargestellt ist das Können über dem Wollen der Mitarbeiter.
Die Große Masse wird sich oben links finden. Die Mitarbeiter werden zwar eigentlich können aber eben nicht wollen.
Unten links ist ein Bereich, der bei einer vernünftigen Personalpolitik leer ist. Ein Mitarbeiter, der weder kann noch will, sollte sich dringend eine neue Aufgabe suchen. Tut er das nicht, ist der Burn out vorhersehbar. Der Mitarbeiter wird ständig gegen seine Motivation etwas anderes zu tun ankämpfen, um den Job zu machen, dem er nicht gewachsen ist. Das kann an keinem ohne Spuren vorbei gehen. Diesen Sachverhalt müssen auch ein Arbeitgeber oder Betriebsrat erkennen und diesen Mitarbeitern alternative Tätigkeiten ermöglichen.
Problematischer ist die sehr kleine Gruppe an Mitarbeitern, die zwar eigentlich will, aber leider reichen die Kompetenzen nicht aus. Auch dieser Bereich ist extrem Burn out gefährdet. Finden diese Menschen einen guten Mentor, entwickeln sie sich zu loyalen Schätzen rechts oben.
Rechts oben sind unsere Multiplikatoren und Personen, bei denen Qualifikationsmassnahmen wirklich Sinn machen. Leider ist das auch die Personengruppe, die am ehestens zum Stellenwechsel neigt.
Das Wissenswachstum durch Qualifikation: Stalaktit-Qualifikation-Strategie
Lernen setzt Wollen voraus. Es macht folglich keinen Sinn Menschen zu qualifizieren, die nicht wollen. Will ich also mit einer Qualifikationsstratrategie erfolgreich sein, muss ich bei den lernwilligen Mitarbeitern ansetzen. Alles andere ist schlicht und einfach nicht effektiv oder klarer gesagt falsch. Also werden die qualifiziert, die wollen. Das funktioniert nicht mit Frontalunterricht. Das funktioniert nur durch das angewendete Lernen (Learning by doing). Sie benötigen also immer begleitendes Coaching im Lernen von Belegschaften. (In der Schule wäre das eigentlich auch so.)
Jetzt habe ich die Woller verbessert. Die wenigen, die wollten, machen das System aber nicht besser. Die große Masse der Mitarbeiter will in der Regel zum Anfang nicht. Ich muss also für die notwendige Breite der Qualifikation sorgen.
Wie sorge ich für die notwendige Breite des Wissens?
Wissen wird nur aufgenommen, wenn es sexy ist oder wenn es Vorteile bringt. Was machen Menschen gerne? Fast alle Menschen lieben Kommunikation. Will ich Qualifikation in die Breite bringen, muss ich dafür sorgen, dass Qualifizierte mit noch nicht Lernwilligen zusammen arbeiten und kommunizieren. Während der Zusammenarbeit wird sich ausgetauscht. Ein kleiner Teil dieses Austauschs bezieht sich auf den Lerninhalt. Damit wird Wissen transportiert, ohne dass die Ablehnung des Lernens aktiviert wird. Es wird also Anwendungswissen übertragen. Damit wird auch die große Masse der Mitarbeiter besser, die dem Lernen eigentlich ablehnend gegenübersteht. Das Wissen tropft damit sukzessiv auch in die Bereiche von Lernunwilligen. Es wächst also langsam ein Qualifikationstropfstein von oben. In der Geologie nennt man diese langsam wachsenden Tropfsteine Stalaktit.
Im Bild dargestellt ist nach links die Anzahl der Mitarbeiter, die ein gewisses Qualifikationslevel erreicht haben. Die Aussage ist rein qualitativ zu verstehen, da anwendbares Wissen nur schwer und sehr ungenau gemessen werden kann. Durch den Wissenstransfer werden Mitarbeiter der unterschiedlichsten Qualifikationslevel sukzessiv in ihren Fähigkeiten verbessert. Damit nimmt die Anzahl der besser qualifizierten Mitarbeiter zu. Damit steigt auch das durchschnittliche Qualifikationsniveau.
Das Prinzip des Qualifikation-Stalaktit wirkt aber nur sehr langfristig und wenn die Fluktuation niedrig ist. Bei hohen Fluktuationen wird der Wissensfluss immer wieder unterbrochen.
Für Fragen, Anregungen und Diskussionen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung.