Warum diese Beitragsreihe?

Das Verständnis von Fahrzeugerprobung und Fahrzeugdauererprobung ist leider immer noch – oder vielleicht wieder mehr – ein Verständnis von wir setzen jemanden in ein Auto und lassen ihn fahren. Damit wird mit viel Aufwand oft wenig bis gar kein Ergebnis erzeugt. Das ist aus der Sicht von Ansätzen wie „grünem Testen“ oder aus der Sicht der Wirtschaftlichkeit natürlich eine Katastrophe. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine kleine Serie unter der Überschrift „Welche Informationen benötigt ein Dienstleister für die Fahrzeugdauererprobung vor dem Projektstart?“ bzw. kurz „Informationen für den Projektstart in der Fahrzeugdauererprobung“ zu verfassen.

Man kann diese Serie als Zusammenstellung von Fakten zur Projektvorbereitung aus Sicht eines Dienstleisters lesen oder zur Anleitung Aufbereitung eines Lastenheftes für die Vergabe von Projekten zur Fahrzeugdauererprobung (Fahrzeugdauerlauf, Straßendauerlauf, etc.).

Das es hier auch um die Erstellung von Lastenheften geht, empfehle ich auch den folgenden Podcast von Georg Joga aus der Reihe „Abenteuer Problemlösen“. Er spricht mit Maik Pfingsten über „So geht Lastenheft“

 

Dieser Beitrag erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.In dieser Reihe sind folgende Beiträge erschienen:1. Teil: Projektrahmen2. Teil:

Folgende Beiträge könnten zu diesem Thema ebenfalls interessant sein:

 

Bereits in dieser Reihe veröffentlicht:

 

1. Teil: Projektrahmen

Projektziele und Projektrisiken

Damit ein Dienstleister sich nach den Interessenlagen seines Auftraggebers überhaupt ausrichten kann, muss er zwingend wissen, was die Ziele seines Auftraggebers sind. Heimlich tun, hilft hier nicht. Wenn eine Partnerschaft ein Ziel erreichen will, müssen die Partner wissen, wo es hingehen soll.

Das Problem bei der Kommunikation der Projektziele ist, an der Basis und in den Erprobungsbereichen weiß man oft auch nicht, was die tatsächlichen Ziele sind. Die Fachabteilungen in den Unternehmen kommunizieren oft nicht darüber. Teilweise wird auch nach dem Grundsatz „teile und herrsche“ kommuniziert. Die Ergebnisse einer solchen Politik sind einfach vorher zu sagen. Jemand, der nicht weiß, wo er hin soll, kommt nicht am Ziel an. Das lässt sich auch mit kleinteiligstem Micro-Management nicht auffangen.

Ein guter Dienstleiter wird, wenn er Projektziele und Projektrisiken verstanden hat, dem Auftraggeber in vielen Punkten den Rücken freihalten können. Deshalb ist eine offene Kommunikation aller Projektziele, Projektrisiken und Erprobungsumfänge unerlässlich.

In meiner Arbeit in Projekten habe ich immer wieder auch die Erfahrung gemacht, dass es Projektleiter gibt, die insbesondere Sicherheitsrisiken im Projekt verschweigen. Hiervor möchte ich ausdrücklich abraten. Ich kann und will hier zwar keine juristische Beratung leisten. Die Risiken im Nachgang wegen Fahrlässigkeit, grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz in Folge eines Unfalls juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden, sind nicht zu unterschätzen. Dabei handelt es sich dann in der Regeln um Straftaten mit möglichen Haftstrafen.

Projektkommunikation

Es versteht sich von selbst, das für eine sinnvolle Kommunikation zwischen den Projektpartnern, die Ansprechpartner bekannt sein müssen. Das wird häufig damit erledigt, dass ein kaufmännischer und ein technischer Ansprechpartner benannt wird. Damit ist jedoch keine Kommunikation installiert.

Der Dienstleister arbeitet nach anderen Regeln, als die Entwicklung. Beim Auftraggeber sind in der Regel Kontaktpersonen nur zwischen 07:00 und 18:00 Montag bis Freitag erreichbar. Der Erprobungsdienstleister arbeitet oft im Schichtbetrieb. Das bedeutet, beim Dienstleister fallen auch Probleme und Rückfragen an, wenn der Auftraggeber nicht erreichbar ist. Wie ist mit dieser nicht abgedeckten Zeit umzugehen? Dazu muss es klare Regeln geben. Die Aussage, Termin muss eingehalten werden, zerstört im Zweifel wertvolle Informationen. Diese Aussage hat nämlich zur Folge, dass wesentliche Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt werden.

Bei der Benennung von Ansprechpartnern durch die Auftraggeber wird oft auf Neulinge in der Abteilung zurück gegriffen. Diese sind jedoch in der Regel nicht entscheidungsfähig und müssen alle neuen Details und Fragestellungen neu klären. Wie ist mit der Wartezeit bis zur Klärung umzugehen?

Bei den Klärungen wird gerne darauf verwiesen, dann soll der Fahrer warten. Dies ist in der Regel nicht in die Angebote eingepreist. Damit ergeben sich gerade in der Folge von wichtigen Projektklärungen zusätzliche Streitpunkte. Die Kosten möchte der Dienstleister in der Regel ersetzt bekommen, da er keine Möglichkeit hat, die dadurch plötzlich freiwerdenden Mitarbeiter anderweitig zu beschäftigen.

Was also benötigt wird, sind klare Regeln, die einen Betrieb auch bei fehlender Auskunftsfähigkeit sicher stellen. Die Mitarbeiter, die auf Tagesbasis kommunizieren, müssen wissen, wie sie sich erreichen.

Darüber hinaus macht es Sinn, folgende Institutionen in der Kommunikation zu installieren:

  • Kick-off zur Vorstellung der Player und zur Erarbeitung eines finalen gemeinsamen Verständnisses von Kommunikationsprinzipien und den erwarteten Ergebnissen
  • Regeltermine mit Reporting und Prozessabstimmung auf der Ebene Projektleitung (Erprobung) in zunächst kürzeren und dann längeren Intervallen
  • Hotline für die Klärung von Tagesereignissen
  • Abschußtreffen auf der Ebene Projektleitung (Erprobung) zur Rückmeldung von Gut- und Schlechtleistungen

Ich selber habe darüber hinaus noch auf seltene aber regelmäßige Treffen auf der übergeordneten Managementebene bestanden. Eine übergeordnete Kommunikation macht aus meiner Sicht schon deshalb Sinn, da sich die Fronten zwischen den Partnern im Tagesgeschäft oft verhärten. Können diese auf übergeordneter Ebener angesprochen werden, ist eine Vermittlung oft sehr schnell möglich, ohne dass im Projekt Schaden entsteht.

Umgehen mit Änderungen

Auftragsvergaben erfolgen zu einem frühen Zeitpunkt mit dem dann bekannten Wissensstand. Die Projektvolatilität hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Projekte werden immer agiler gemanagt. Damit ergeben sich in den Auftragsvergaben auf der einen Seite Notwendigkeiten, die Projekte kurzfristig anzupassen. Auf Seiten des Erprobungsdienstleisters gibt es den verständlichen Wunsch nach Berechenbarkeit und Planbarkeit.

Es muss deshalb im Vorfeld unbedingt geklärt werden: Wie ist mit Änderungen umzugehen? Es empfiehlt sich auf jeden Fall im Vorfeld Regelungen dafür zu schaffen.

  • Das beinhaltet eine klare Aussage, wer darf überhaupt Änderungen veranlassen?
  • Wer darf Änderungen entgegen nehmen?
  • Wie wird mit den Kosten im Falle von Änderungen umgegangen? Die Kostenänderung umfassen sowohl Kostensteigerungen als auch Kostenreduzierungen.
  • Wie werden Änderungen und deren Auswirkungen dokumentiert?

Zeitplan

Eine Erprobung folgt oft vorgegebenen Zeitmustern. Diese Zeitmuster bedingen einen Terminplan mit allen Meilensteinen dazwischen. Da der Projektfortschritt gerade in knappen Terminplänen oft nur unwesentlich beschleunigt werden kann, ist eine exakte Terminverfolgung wichtig. Darüber hinaus sind bestimmte Testressourcen oder bestimmte klimatische Anforderungen eben nur in sehr eingeschränkten Zeitfenstern verfügbar.

Dazu werden alle wichtigen Termin bereits im Vorfeld grob umrissen. Diese sind für jedes Fahrzeug

  • Fahrzeugverfügbarkeit
  • Transporttermine
  • Zwischentermine
    • Abgastests
    • Leistungsmessungen
    • Bremsenvermessungen
    • Kühlmittelanalyse
    • besondere Erprobungen (Hitze, Höhe, Kälte, Staub, hohe Luftfeuchtigkeit, Seeklima, etc.)
    • Fahrzeugbeurteilungen
    • Bauteilbefundungen
  • Fahrzeugrückgabe

Hinzu kommen wichtige Meilensteine mit einer Erklärung, wie sich diese Meilensteine ergeben

  • Projektstart
  • Erreichungsgrade x%
  • Designfreeze
  • Freigabetermine
  • Rückführung von Bereitstellungen
  • Projektende

Ohne diese Angaben ist der Dienstleister in der Regel nicht in der Lage die Interessen des Auftraggebers zu wahren. Kann er das nicht, entstehen dem Dienstleister zusätzliche Kosten und es gibt zahlreiche zusätzliche Konfliktpotentiale.

Fahrzeugaufbau und -logistik

Der Fahrzeugaufbau ist in fast allen Projekten der zeitkritische Pfad. Hinzu kommen zahlreiche Problemstellungen im Aufbau von Erprobungsfahrzeugen, die sich für weniger erfahrene Mitarbeiter kaum übersehen lassen. Im Rahmen des Fahrzeugaufbaus sind die Erprobungsumfänge mit den Erprobungsteilen detailliert zu dokumentieren.

Für die Erprobungsteile sind detailliert Lebensläufe zu führen. Bei den Ständen sind die klaren Erkennungsmerkmale des verbauten Standes mit zu dokumentieren. Eine Dokumentation unter der Bezeichnung „neuer Stand“ ist spätestens nach dem 2. Design-Update keine Dokumentation mehr.

Im Rahmen des Aufbaus, der Erprobungsvorbereitung und der Durchführung von Sondermessungen sind die Fahrzeuge oft an verschieden Orte zu transportieren. Für diese Transporte muss es klare Regeln geben. Dazu gehört auch, wie mit den Laufleistungen im Rahmen der Erprobungen zu verfahren ist.

Geheimhaltung

In der Entwicklung geht es immer um Geheimhaltung. Selbst Fahrzeuge, die dem Serienstand entsprechen, unterliegen einer Geheimhaltung hinsichtlich des Erprobungszieles. Der Umfang, was geheim zu halten ist, muss bekannt sein. Zum Umfang gehört in der Regel auch eine Anleitung, wie die Geheimhaltung zu erfolgen hat.

Die Geheimhaltung muss für folgende Umfänge bekannt sein

  • Fahrzeuge: Tarnungsrichtlinien
  • Gelände: Anforderungen an das Gelände zur Wahrung der Geheimhaltung
  • Fahrzeugtransport: Schutzmaßnahmen für Fahrzeugtransporte gegen Spionage und Missbrauch
  • Gemeinsame Nutzung von Prüfeinrichtungen: Welche Wettbewerber sind von der parallelen Nutzung auszuschließen und wie ist die Geheimhaltung zu sichern.

Interessant zu diesem Thema sind auch folgende Artikel:

 

Für Fragen, Anregungen und Diskussionen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung.

Pin It on Pinterest

Share This

Soziale Medien

Bitte teilen Sie diesen Beitrag!